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Mar 2025
49m 2s

Steuerung, Schulessen, Starkbier – was u...

Ärzte Zeitung
About this episode
4. Folge „Kindergarten Gesundheitspolitik“

In dieser neuen Episode vom „ÄrzteTag“-Podcast nehmen wir uns mit Dr. Michael Hubmann, dem Präsidenten des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzt*innen (BVKJ), endlich die drängende Frage im Gesundheitswesen vor: Wie gelingt eine bessere Steuerung im Gesundheitswesen, vor allem angesichts der Herausforderungen durch den Fachkräftemangel und das System lähmende Bürokratie?

„Wir diskutieren jetzt schon seit Jahren über das Babyboomer-Problem, aber jetzt wird es von Jahr zu Jahr in vielen Situationen einfach spürbarer“, sagt Hubmann in dieser vierten Folge der Reihe „Kindergarten Gesundheitspolitik“. Die Politik müsse jetzt handeln, um eine funktionierende Steuerung in der Versorgung sicherzustellen – freiwillige Lösungen reichten nicht aus. „Ich glaube, jeder weiß, dass es so, wie es jetzt ist, einfach nicht mehr bleiben kann.“

Hubmann sieht die Steuerung als Schlüssel, um unnötige Kontakte im System zu reduzieren. Ein Beispiel: Patienten, die ohne echte medizinische Notwendigkeit von Facharzt zu Facharzt wandern. „Ich brauche eine Steuerung, die nicht allein auf Freiwilligkeit setzt.“ Ein Blick ins Ausland zeige, dass es Alternativen gebe: In Dänemark oder den Niederlanden ruft man eine Nummer an, bekommt Rat und wird gesteuert. „Und bei uns sitzt der Bürger zu Hause, die Oma fällt um – und er weiß nicht, wen er anrufen soll.“

Auch der bürokratische Aufwand sei ein massives Problem. Besonders ärgert ihn die Flut an Attesten, die in manchen Schulen und Kitas verlangt werden: „Wenn es ein Infektionsschutzgesetz gibt und Zulassungskriterien des Robert Koch-Instituts, dann kann es eigentlich nicht sein, dass jede Schule und jede Kita für sich noch mal eine eigene Regel schafft.“

Eine echte Mengensteuerung könne nur gelingen, wenn auch die Nachfrage durch die Patienten gesteuert werde. Denn bislang, so Hubmann, werde versucht, die steigenden Patientenzahlen nur über Budgets zu regulieren – ein Fehler: „Ich habe eine Geldmenge und eine Menge an Leistung, die ich erbringen darf. Und wenn einfach 200 Patienten mehr kommen, dann sind die umsonst. Das ist doch ein Blödsinn.“

Er plädiert dafür, Steuerung realistisch anzugehen: „Es wird nicht immer so sein, dass man mit einer einzigen Lösung 100 Prozent der Fälle trifft. Vielleicht brauchen wir zwei, drei Systeme nebeneinander.“ Eine bessere Verzahnung zwischen Hausärzten, Gebietsärzten und Kliniken sei entscheidend. „Der Kardiologe will doch auch nicht die Oma Erna sehen, die gehört hat, dass Tante Frieda einen Herzinfarkt hatte und mal zur Sicherheit vorbeikommen will.“

Ein weiteres Thema, das Hubmann bewegt: die Gesundheitsförderung bei Kindern. Der BVKJ fordert, dass Schulen stärker als Orte der Gesundheitsförderung genutzt werden – mit kostenlosem Schulessen und mehr Bewegung im Alltag. Aber ist ein eigenes Schulfach Gesundheit der richtige Weg? Oder müsste Gesundheitskompetenz nicht als Querschnittsthema angelegt werden?

„Ja, aber die haben wir in der Istbilanz momentan nicht“, sagt Hubmann. „Wenn Sie sehen, wie leicht Menschen mit Influencern zu bewegen sind, Dinge zu tun, die einfach konsequent unsinnig sind, dann müssen wir dringend an der Gesundheitskompetenz arbeiten.“ Es brauche eine „Koalition der Willigen“ zwischen Schulen, Politik und Medizin, um wirklich etwas zu verändern.

Gegen Ende des Gesprächs geht es noch um die politische Großwetterlage – mit einem humorvollen Seitenhieb auf die jüngste Starkbierprobe auf dem Nockherberg. „Es war inhaltlich so klar, dass es wahrscheinlich schwer ist, es noch als Kabarett zu bezeichnen“, sagt Hubmann über Maxi Schafroths Fastenpredigt. Auch er warnt allerdings davor, dass Populismus in der Mitte der Gesellschaft salonfähig wird: „Wir brauchen Politiker, die es schaffen, der Bevölkerung das Gefühl zu geben, dass wir einen Weg nach vorne haben.“

Mit Blick auf die anstehenden politischen Entscheidungen betont Hubmann abschließend, worauf es jetzt ankommt: „Es muss jetzt darum gehen, die Menschen mit den Aufgaben in der Führung der Ministerien zu betrauen, denen wir die Kompetenz zutrauen. Es darf nicht wieder ein Regionalproporz-Schachspiel werden.“

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